Wer erfand das Glas?

Die meisten von uns haben sich sicher noch nie Gedanken gemacht, wer das Fensterglas erfunden hat. Es ist einfach da und von Zeit zu Zeit muss man es reinigen. Dabei ist Glas wesentlich faszinierender, als man meinen könnte. Was hat es also auf sich, mit diesem eigenartig haltbaren, aber vollkommen durchsichtigen Stoff, der uns vor Kälte schützt und der das Licht trotzdem hereinlässt? Wer ist als erster draufgekommen, es herzustellen?

Glas wurde lange schon vor den Römern erfunden, aber danach in Mitteleuropa fast wieder vergessen. Es kam zu Lieferengpässen bei den Grundmaterialien und schon saß man wieder mit Teppichen vor den Fenstern im dunklen Festungszimmer des Mittelalters. Diese dunklen Räume sind uns Mitteleuropäern so präsent, dass manche meinen, das Glas sei erst im 12. Jahrhundert erfunden worden. Tatsächlich ist die Erfindung des Glases schon viel älter.

Glas vom Uluburun Wrack, Türkei (c) Bahnmann

Zuallererst – was ist eigentlich Glas? Glas ist (und ich weiß, dass das die meisten erstaunen wird) eine unterkühlte Flüssigkeit. Erhitzt man es, wird es wieder flüssig. Glas, von germanisch glasa, „das Glänzende, Schimmernde“, ist nicht ein bestimmter Stoff, sondern ein Sammelbegriff von bestimmten erkalteten, aber nicht kristallisierten Stoffen. Die meisten Gläser bestehen hauptsächlich aus Siliziumdioxid, wie etwa Trink- oder Fenstergläser. Es gibt aber auch natürliche Gläser wie Obsidian und Bernstein.

Glas, insbesondere Obsidian vulkanischen Ursprungs, wurde schon von vielen steinzeitlichen Gesellschaften für die Herstellung von Schneidwerkzeugen verwendet. Im 5. Jahrtausend vor Christus benutzte man dann Glas zum ersten Mal gezielt zum emaillieren. Die ersten echten Glasobjekte, Perlen, kennt man dann aus Ägypten und sie werden auf das dritte Jahrtausend v. Chr. datiert.

Syrisches und ägyptisches Glas wurde mit Soda, also Natriumcarbonat, hergestellt, das aus der Asche von Pflanzen gewonnen werden kann, insbesondere aus Küstenpflanzen wie der Salzwurz. Die frühe Glasproduktion sah dabei noch ganz anders aus, als das, was uns heute in den Sinn kommt und was zumeist das Bild eines Glasbläsers sein wird. Sie stützte sich auf Schleiftechniken, die der Steinbearbeitung entlehnt waren. Das Glas wurde gemahlen oder in kaltem Zustand geschnitzt.

Die für die Erstverschmelzung von Glas aus Rohstoffen erforderlichen Techniken waren ein streng gehütetes Geheimnis. Gegenden, die das Geheimnis nicht besaßen, waren daher auf die Einfuhr von vorgeformtem Glas angewiesen, oft in Form von Gussblöcken, wie sie auf dem Schiffswrack von Ulu Burun vor der Küste der modernen Türkei gefunden wurden.

Anweisungen zur Herstellung von Glas finden sich jedoch zum Beispiel in Keilschrifttafeln, die in der Bibliothek des assyrischen Königs Ashurbanipal (668 – c. 627 vor Chr.) entdeckt wurden. Während der hellenistischen Zeit wurden dann viele neue Techniken der Glasherstellung erfunden und man begann zum ersten Mal, größere Objekte herzustellen.

Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde dann an der syrisch-jüdischen Küste das Glasblasen entdeckt und Glasgefäße wurden auf einmal preiswert. In Alexandria hergestellte Glasbehälter verbreiteten sich von da an im gesamten Römischen Reich. Mit der Entdeckung des Klarglases durch die Einführung von Mangandioxid begannen die Römer, Glas auch für Fenster zu verwenden. Gussglasfenster, wenn auch mit noch schlechten optischen Eigenschaften, tauchten in den wichtigsten Gebäuden Roms und den luxuriösesten Villen von Herculaneum und Pompeji auf.

Nach dem Fall des Weströmischen Reiches um 450 n. Chr. ging die Glasmacherei jedoch rapide zurück und zumeist schmolz man nur noch altes Glas neu ein. Als das Karolingische Reich um 800 n. Chr. in Nordwesteuropa expandierte, stieg die Nachfrage nach Glas, aber die Versorgung mit traditionellen Rohstoffen war kaum noch möglich. Man experimentierte daher mit neuen Rohstoffen und begann Waldglas herzustellen. Ein eigenartiges, schimmernd dunkelgrünes Glas.

Es handelt sich dabei um ein mittelalterliches Glas, das in Nordwest- und Mitteleuropa von ca. 1000-1700 n. Chr. aus Holzasche und Sand hergestellt und in Fabriken, die in Waldgebieten lagen, hergestellt wurde. Seine Zusammensetzung ist anders als das römische Glas. Sein hauptsächliches Problem war, dass man dafür ungeheure Mengen Holz benötigte, um Pottasche (das Kaliumsalz der Kohlensäure) herzustellen. Pottasche wurde durch Eindampfen von geeigneter Pflanzenasche, hauptsächlich von Buchen oder Eichen, gewonnen.

Waldglas (c) Mayring

Aufgrund der Herstellungsschwierigkeiten stellten verglaste Fenster bis weit ins Mittelalter einen großen Luxus dar und wurden erst im 16. Jahrhundert wieder allgemein üblich. Ähnlich verhält es sich mit dem Gebrauch von gläsernen Trinkgefäßen – Glas galt als ausgesprochen kostbar und fand sich nur in den Haushalten der Adeligen oder der reich gewordenen Stadtbürger.

Seien wir also zufrieden, wenn wir heute Abend aus unserem vollkommen reinen, durchsichtigen Fenster sehen und ein Glas Wein trinken. Es könnte auch der Blick auf einen ledernen Vorhang und ein Holzpott sein.

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