Die Stadt Panama wurde am 15. August 1519 als die erste spanische Siedlung an der Küste des Pazifiks gegründet und ist bis heute die älteste auf dem amerikanischen Festland existierende Stadt. Sie wurde 1671 von den Truppen des englischen Piraten Henry Morgan zerstört und ihre Ruinen sind heute eine Touristenattraktion. Die moderne Stadt wurde südwestlich von ihnen wiederaufgebaut. Bei neuesten Ausgrabungen im Gebiet der Altstadt wurden nun Bestattungen entdeckt.
Zum einen fand man den Friedhof der ersten europäischen Siedler und in diesem überraschend viele Neusiedler afrikanischer Herkunft.
Zum anderen fand man jedoch auch Bestattungen der Urbevölkerung, die an der gleichen Stelle gewohnt hatte, an der sich die Spanier niederließen und sich mit ihnen vermischte, bevor sie unabsichtlich durch die Übertragung von Krankheiten ausgelöscht wurde.
Unter den gefundenen Bestattungen der indianischen Bevölkerung findet sich ein erstaunliches Grab, das Grab eines jungen Mannes, der im Sitzen eingeschlafen zu sein scheint. Sein Kopf ruht auf dem linken Arm. An seiner Seite liegt eine Ansammlung weißer, gereinigter Stechrochen-Stacheln, zu seinen Füssen befindet sich eine erhebliche Ansammlung von kleinen Obsidianklingen. Untersuchungen haben gezeigt, dass der junge Mann noch vor dem Eintreten der Totenstarre in diese Position gesetzt wurde und zwischen 1410 und 1460 starb.
Warum der junge Mann in dieser Haltung für immer einschlief, lässt sich vielleicht aus den ihm mitgegebenen Gegenständen ablesen. Derartige scharfe Gegenstände, an Schnüre geknotete Obsidianmesser, von Widerhaken gesäumte Stechrochendornen, und geschnitzte Knochen wurden von den örtlichen von Chibcha-Völkern verwendet, um Körperteile, wie etwa Zungen und Genitalien während blutiger Rituale zu durchbohren. Vor der Ankunft der Europäer war Panama im Wesentlichen von diesen Chibcha-Völkern bewohnt. Wie die Maya nahmen auch die Chibcha Rituale vor, um die Götter zu befriedigen und die Ordnung der Welt zu garantieren. Einige dieser Rituale bestanden in Blutopfern, in denen sich der Opfernde selbst verstümmelte. Das aus den Wunden fließende Blut wurde den Göttern dargebracht.
Es existieren in ganz Mittelamerika Darstellungen, in denen man derartige Rituale sieht. Diese zeigen zum Beispiel wie eine Kordel mit daran befestigten Obsidianklingen von dem Opfernden selbst durch die Zunge gezogen wird. Ihre Länge ist ungefähr die eines kleinen Fingers. Der Schmerz und der Blutverlust, der durch diese Praxis hervorgerufen wurde, muss erheblich gewesen sein. Noch schmerzhafter muss die Einführung der ebenfalls etwa fingerlangen widerhakenbewehrten Rochendornen in die Genitalien gewesen sein.

Wissenschaftler vermuten aufgrund von Darstellungen, dass es vor hochgestellten Mitgliedern der Gesellschaft oder vielleicht auch Kriegern als Pflicht oblag, ihr Blut den Göttern zu opfern. Diese Opfer konnten wohl bis zur Selbst-Kastration gehen, auch wenn Punktion und Perforation des Phallus, Punktion der Beine oder der Ohren, Durchbohren der Zunge und anderer Körperteile mit Knochenstäben, Kaktus-Dornen oder Obsidianklingen häufigere Selbstopferungspraktiken gewesen sein dürften.
Die Archäologen, die den toten Chibcha in Panama Stadt gefunden haben, haben ihm den Namen ‚Guerrero‘ gegeben, in der Annahme, dass es sich um einen Krieger gehandelt hat, der in einer Selbstopferung absichtlich verblutet ist.
U.C. Ringuer
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