Bringt die Museen unter Wasser – Lateinamerika und die Karibik einen Schritt voraus

Wenn es darum geht historische Schiffswracks zu schützen, stößt man sich oft an der Ansicht, dass das, was sich da unter Wasser befindet, vor allem ein Schatz ist, den man plündern kann, und nicht eine archäologische Stätte. „Menschen atmen kein Wasser“ ist eine ironische, aber leider wahre Bemerkung. Dies führt dazu, dass Standorte, auch wenn sie gefunden und erforscht sind, oft nicht besuchbar und sichtbar sind. Das Verständnis und die Kenntnisse über dieses Kulturerbe sind gering.

Der ein Pferd reitende Junge aus dem Antikythera-Wrack. Ausgestellt ohne Referenz zu dem archäologischen Kontext (c) Ringuer

Ein anschauliches Beispiel: Würde die Titanic an Land liegen bleiben, würde sie jährlich von Millionen von Touristen besucht werden. Sie liegt jedoch in 4 km Tiefe unter Wasser und wurde seit ihrer Entdeckung 1985 nur von etwa 300 Personen besucht.  

Eine Lösung für die relative Unzugänglichkeit von Unterwasserstandorten wäre eine stärkere Museumsausstellung der Funde. Hier sind jedoch in der Vergangenheit viele Fehler gemacht worden. Das geborgene Unterwasserkulturerbe wurde bis heute in einem „Antiquitätenladen“-Ansatz ausgestellt, d.h. Artefakte werden kontextlos und ‚trocken‘ in einer Vitrine präsentiert.

Während dies bereits Probleme für das Landkulturerbe mit sich bringt, wird die Angelegenheit für das Unterwassererbe äußerst problematisch. Auch wenn die Akropolisfries im British Museum absolut kontextlos und altmodisch präsentiert wird, kann die Fundstelle, die Akropolis, leicht besucht werden. Dies ist bei versunkenen Standorten nicht der Fall.

Die Antikythera-Schiffswrackfunde, die dänischen Moorfunde und sogar das Vasa-Wrack wurden so aus dem Zusammenhang gerissen, Trockendarstellung „wie zum Verkauf“ und ohne jegliches öffentliche Bewusstsein für den Ort, an dem sie gefunden wurden, dargeboten. Im Museum ist kein einziger Tropfen Wasser zu sehen. Dies hat zu einer Wahrnahme der Öffentlichkeit bezüglich des Unterwasserkulturerbes als „verlorenen Schatzes“ und nicht als archäologischen Erbes geführt. Es hat auch dazu geführt, dass der Unterwasserarchäologie wenig Priorität eingeräumt wird.

Eine starke Unterstützung der kontextbezogenen Präsentation des Unterwasserkulturerbes wurde von der UNESCO durch eine Best Practice Initiative geleistet. Ermutigt durch diesen Vorstoß, so scheint es jetzt, macht die lateinamerikanische und karibische Region einen großen Schritt voraus gegenüber ihren Nachbarn. Drei der schönsten Museumsprojekte der Region sind abgeschlossen oder in Arbeit und konzentrieren sich auf versunkene Standorte. Das Unterwassererbe könnte somit bald die Präsentation des terrestrischen Erbes im Museumsraum in den Schatten stellen.

Unterwasserarchäologisches Museum Fuerte de San José El Alto, Campeche, Mexiko (2017)

Eine einzigartige Sammlung von Funden aus dem Unterwasser-Kulturerbe, die von ihrem archäologischen Kontext umgeben sind, ist im Unterwasser-Archäologischen Museum in Campeche ausgestellt, das Ende 2017 eröffnet wurde. Das Museum befindet sich in San Jose el Alto, einer Festung aus dem 18. Jahrhundert in Campeche, einer Weltkulturerbestadt. An einem nahegelegenen Strand, Playa Bonita, können die Besucher zudem eine betauchbare Nachbildung eines Schiffswracks erleben. Aufgrund der wissenschaftlichen Qualität, der hervorragenden Ausstellung der archäologischen Funde und ihres Kontextes sowie der Bemühungen, das öffentliche Unterwassererbe zugänglich zu machen, wurde das Museum 2017 zur UNESCO Best Practice ernannt.

El Museo de las Atarazanas, Santo Domingo, Dominikanische Republik (2019)

Das Schiffswerft Museum in Santo Domingo ist ein zweiter neuer Maßstab für archäologische Unterwasserkulturerbe-Museen auf der ganzen Welt. Aufgeteilt in neun große Themenbereiche werden mehr als tausend Einzelstücke präsentiert, die die Geschichte der Navigation zwischen dem fünfzehnten und neunzehnten Jahrhundert zusammenfassen. Das Museum verfügt über Räume, in denen Marinegeschichten erzählt werden, Räume, in denen Stücke von Schiffswracks gezeigt werden, und Räume, in denen das Publikum durch Karten mit Multitouch-Technologie interagieren kann, in denen reale Bilder mit Satellitenbildern gemischt werden, und in denen die Wracks lokalisiert werden können und der Besucher Informationen über sie entdecken kann.

Das neue Schiffswracks-Museum in Santo Domingo (c) Ringuer

Das halb versunkene Museum des Titicacasees

Ein spektakuläres Projekt ist auch der Plan für den Bau eines Unterwassermuseums im Titicacasee, Bolivien. Der gewählte Standort liegt in der Nähe von Copacabana und der Isla del Sol. Im Mittelpunkt steht eine versunkene prähistorische Siedlung, die bei steigendem Wasserstand im See unter Wasser sank, zum Teil durch ein katastrophalen Flutereignis, das lange Zeit nur als Legende der einheimischen Bevölkerung galt. Das neue Museum soll es den Besuchern ermöglichen, das unter den Gewässern des Sees verborgene Kulturerbe zu sehen. Die UNESCO, das bolivianische Kulturministerium und die Universität Libre de Bruxelles trafen sich erstmals im Juli 2018 mit ausgewählten internationalen Experten aus der Region, um das Projekt zu diskutieren. Das Museum hat das Potenzial, ein Meilenstein für die Unterwasserarchäologie in Lateinamerika zu werden.

Kommentar verfassen

Up ↑

Entdecke mehr von Geheimnisse der Archäologie

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen