Die erste europäische Siedlung auf dem amerikanischen Kontinent ist vom Verfall bedroht – La Isabela

Eine Reise über das Meer zu einem unbekannten Kontinent muss den Europäern des ausgehenden Mittelalters ungefähr genauso abenteuerlich erschienen sein, wie uns heute eine Reise zum Mars. Die Chance lebend zurückzukehren war gering. Das Opfer, das zu bringen war, groß. Trotzdem machten sich wagemutige Seefahrer wie Vasco Da Gama, Magellan und Kolumbus auf ins Unbekannte begleitet von Tausenden Seeleuten, Soldaten, Geistlichen und Helfern, deren Namen heute tief in den Archiven begraben liegen, wenn sie überhaupt bekannt sind.

Ihre Geschichte flößt noch heute trotz aller Kritik der zumeist brutalen Eroberer Bewunderung ein. Eine der allerersten Spuren ihres Wagemuts liegt heute in der Dominikanischen Republik und ist von Erosion und Zerfall bedroht.

Diese Spur, eine Siedlung, La Isabela, war einst die erste von Europäern angelegte Stadt auf amerikanischem Boden, auch wenn L’Anse aux Meadows fünfhundert Jahre eher gegründet wurde. Christopher Kolumbus gründete La Isabela an der Nordküste der Insel Hispaniola, nachdem er das kleine Fort, in dem er die Besatzung seines gestrandeten Schiffes Santa Maria auf seiner ersten, mit sehr bescheidenen Mitteln ausgestatteten Reise zurückgelassen hatte, zerstört vorgefunden hatte.

Auf seiner zweiten Reise, die von 1493 bis 1496 währte, führte er dann eine Flotte von bereits 17 Schiffen an, die ungefähr 1.500 Mann transportierten. Ob auch Frauen an Bord waren, ist strittig und zumindest später lebten auch Frauen in Isabela. Kolumbus landete am 8. Dezember 1493 in der sanften Bucht im Norden der Insel und gründete dort nahe eines kleinen Flusses, dem Bajabonico, die Ansiedlung, die er nach Isabella I. von Kastilien, der spanischen Monarchin, benannte. Er ließ sich ein Steinhaus bauen und weitere steinerne Gebäude, einschließlich eines Hauptplatzes und einer Kirche, folgten. Man begann auch mit ersten Bemühungen zur so sehr begehrten Metallgewinnung.

Die spanischen Bewohner hatten jedoch von Anfang an mit Problemen zu kämpfen. Es fehlte in der urwaldreichen Gegend an Nahrung und viele der Europäer wurden krank und starben, hauptsächlich wohl durch Skorbut. Auf dem Friedhof der Kirche von La Isabela wurden bei Ausgrabungen insgesamt 48 Personen gefunden. Die Skelettkonservierung war unterschiedlich und die Forscher konnten nur feststellen, dass mindestens 33 der 48 Personen Männer und drei Frauen waren. Kinder und Jugendliche waren ebenfalls unter den Toten und es gab zum Zeitpunkt des Todes niemanden, der älter als 50 Jahre war. Unter den 27 Skeletten mit ausreichender Erhaltung zeigten 20 Läsionen, die durch schweren Skorbut verursacht worden waren, der durch Mangel an Vitamin C verursacht wird und vor dem 18. Jahrhundert bei Seeleuten weit verbreitet war. Skorbut soll 80% aller Todesfälle auf langen Seereisen im 16. und 17. Jahrhundert verursacht haben. Eines der gefundenen Skelette kann heute besichtigt werden.

Zu den gesundheitlichen Problemen kam, dass es von Seiten der spanischen Edelleute Widerstand gegen den Ausländer Kolumbus gab und es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den anfangs friedlichen Taíno kam, die von den Neuankömmlingen versklavt und zum Steuerzahlen gezwungen wurden.

Ein weiteres Ereignis traf die Siedler schwer. Der erste von den Europäern beobachtete Hurrikan zerstörte im Juni 1495 mehrere Schiffe, die im Hafen gelegen hatten. Die ortsansässigen Taíno zogen sich während des Sturms in die Berge zurück, während die unerfahrenen Spanier in der Kolonie in der ungeschützten Bucht verblieben. Mehrere ihrer Schiffe wurden daraufhin von den Wellen zum Kentern und Sinken gebracht, darunter das Flaggschiff, die Maria-Galante.

La Isabella wurde aufgrund der Probleme bald verlassen und war bereits im Jahr 1500 vollkommen unbewohnt. Es wurde erst zum vierhundertjährigen Jubiläum der Entdeckung Amerikas unter Gestrüpp und Gestein wiederentdeckt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Ausgrabungen vorgenommen, die jedoch mehr Zerstörung verursachten, als dass sie zur Konservierung der Ruinen beitrugen. Das Gestrüpp wurde ohne Rücksicht auf die darunterliegenden Ruinen gerodet. Viele der noch erhaltenen Strukturen wurden beschädigt oder zerstört. Erst zwischen 1989 und 1999 arbeiteten Archäologen des Florida Museum of Natural History unter der Leitung von Kathleen Deagan und José M. Cruxent mit der Dirección Nacional de Parques de la República Dominicana und der Universidad Nacional e Experimental Francisco de Miranda in Venezuela zusammen, um La Isabela auszugraben und zu untersuchen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind vor Ort in einem kleinen Museum zu sehen, auch wenn dieses zerfällt und Löcher im Dach klaffen. Auch die Ausgrabungsstätte selbst kann besichtigt werden. Es fehlt jedoch an einer Brücke, die die großen Touristenströme von Punta Cana nach Isabella lenken könnte.

Die Ruinen sind zudem schwer von Erosion betroffen. Das Haus Christopher Kolumbus fällt nach und nach von der Küstenklippe ins Meer. Eine originale koloniale Hafenstruktur wurde unfachmännisch gesichert und beginnt nachzugeben.

Erste Untersuchungen der Wracks, die durch den Hurrikan untergegangen sind, wurden amateurhaft vorgenommen und haben sich, man möchte sagen zum Glück, als schwierig erwiesen. Sedimentation aus dem in die Bucht mündenden Fluss und die Wellentätigkeit haben das Niveau des Seebodens erheblich erhöht und bedecken sie. Man kann davon ausgehen, dass die Wracks jedoch unter Sediment begraben im fast unberührten Zustand in der Bucht liegen. Man sollte meinen, dass sieben oder acht spanische Wracks, einschließlich des Flaggschiffs von Christopher Kolumbus, interessierte Unterwasserarchäologen auf den Plan rufen sollten, aber bisher ist kein ernsthaftes Projekt geplant.

Die Bedeutung der Ruinen und der Schiffe ist nichtsdestotrotz offensichtlich, sei es für die Forschung oder aber für den Tourismus. Es bleibt abzuwarten, ob endlich eine wirkliche wissenschaftliche Studie der Fundstätte erfolgen wird und in deren Erhalt investiert wird oder ob erneute amateurhafte Versuche auf die Stätte einzuwirken diese noch mehr gefährden könnte.

Es gibt Vorschläge, einen Damm zu bauen, um die Auswaschung der Küste und die Zerstörung des Hauses von Kolumbus zu vermeiden. Jede Umleitung von Strömungen in der Bucht sollte jedoch vorsichtig geprüft werden, da sie zu Auswaschungen des Seebodens an anderen Orten und damit der Wracks führen könnte.

U.C. Ringuer

Sources

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•             Deagan K, and Cruxent JM. 2002. Columbus’s Outpost Among the Tainos: Spain and America at La Isabela, 1493-1498. New Haven: Yale University Press.

•             Deagan K, and Cruxent JM. 2002. Archaeology at La Isabela, America’s First European Town. New Haven: Yale University Press.

•             Laffoon JE, Hoogland MLP, Davies GR, and Hofman CL. 2016. Human dietary assessment in the Pre-colonial Lesser Antilles: New stable isotope evidence from Lavoutte, Saint Lucia. Journal of Archaeological Science: Reports 5:168-180.

•             Thibodeau AM, Killick DJ, Ruiz J, Chesley JT, Deagan K, Cruxent JM, and Lyman W. 2007. The strange case of the earliest silver extraction by European colonists in the New World. Proceedings of the National Academy of Sciences 104(9):3663-3666.

•             Tiesler V, Coppa A, Zabala P, and Cucina A. 2016. Scurvy-related Morbidity and Death among Christopher Columbus‘ Crew at La Isabela, the First European Town in the New World (1494–1498): An Assessment of the Skeletal and Historical Information. International Journal of Osteoarchaeology26(2):191-202.

•             Ting C, Neyt B, Ulloa Hung J, Hofman C, and Degryse P. 2016. The production of pre-Colonial ceramics in northwestern Hispaniola: A technological study of Meillacoid and Chicoid ceramics from La Luperona and El Flaco, Dominican Republic. Journal of Archaeological Science: Reports 6:376-385.

•             VanderVeen JM. 2003. Review of Archaeology at La Isabela: America’s First European Town, and Columbus’s Outpost among the Taino: Spain and America at La Isabela, 1494-1498. Latin American Antiquity 14(4):504-506.

•             K. Kris Hirst , 2018,  La Isabela, Columbus’s First Colony in the Americas, https://www.thoughtco.com/la-isabela-columbus-first-colony-171383

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