Ändert endlich die Museen

Das bisher ehrgeizigste und komplexeste Projekt des englischen Künstlers Damien Hirst, die Ausstellung “Schätze aus dem Wrack des Unglaublichen”, war fast zehn Jahre in Arbeit. Groß und umfangreich erzählte sie die Geschichte des – angeblichen – alten Wracks eines riesigen Schiffes und seiner wertvollen Fracht.

Es soll hier nicht um die Frage gehen, wie kostspielig und spektakulär die Ausstellung im Palazzo Grassi in Venedig war, sondern um den Ansatz des Künstlers.

Betrachtet man die verwendete Bildersprache, Fotos, korallenbedeckte Fundstücke und Videos der angeblichen Bergung, fällt einem auf, wie sehr sie den Bildern von Franck Goddio’s Ausgrabungen in Alexandria, Ägypten, ähneln. Hirst präsentierte keine trockenen Statuen, wie man sie normalerweise in großen Museen, Maritimen Museen oder anderen Etablissements sieht. Der Künstler und Businessman setzte lieber den Kontext ‚in Szene‘.

Wir freuen uns darüber … Lassen Sie uns erklären, warum.

Ein Stück Museumsgeschichte – leider live

Als die Geschichte der Archäologie in den Tiefen der Brunnen von Herculaneum begann, und die Zwangsarbeiter des neapolitanischen Königs von deren Boden aus ihre brüchigen Tunnel in Lava und Tuff gruben, hatte man eine völlig andere Vorstellung davon, was der Zweck von Fundstücken sein sollte. Es ging im frühen 18. Jahrhundert um den Besitz von Schätzen und um deren Wert. Der König, Karl III. der Bourbonen, ließ alles aus den Tiefen unter dem Vulkan heraufbringen, was nur beweglich war. Kleinere Fresken ließen übereifrige Handlanger in Stücke hacken, um sie nicht Raubgräbern zu überlassen. Was man nicht barg, zerfiel in den sich mit Wasser füllenden Tunneln. Aufgezeichnet wurde wenig.

Der König besaß von da an mit Stolz eine Kollektion von Statuen, Fresken und Fußböden, mit der er sich schmücken konnte. Und ganz Europa beneidete ihn. Er baute sich ein Museum.

Schon damals scheint es Karl, dem großen Bourbonenherrscher, jedoch klar gewesen zu sein, dass die Fundstücke mehr Potential hatten, als in den Vitrinen ausgestellt zu werden. Als er nach Madrid abreiste, um die Königskrone Spaniens zu empfangen, ließ er alle Funde Herculaneums in Neapel, statt sie mit sich mitzuführen. Seitdem stehen sie dort, einer neben dem anderen, in Schaukästen und auf Podesten.

Die Archäologie hat sich seitdem weiterentwickelt. Man sucht nicht mehr nach Schätzen. Man sucht nach Geschichten, nach den Schicksalen von Menschen, nach Hintergründen.

Die Museen jedoch sind fast immer gleichgeblieben.

Noch immer stehen die Statuen auf ihren Podesten oder in ihren Vitrinen. So ist es in Neapel, so ist es mit der Venus von Milo im Louvre, mit den ersten Funden aus Herculaneum in Dresden, mit den Funden des Antikythera-Schiffswracks im Nationalmuseum von Athen in Griechenland. Und in tausenden anderen Museen.

Fundstücke werden noch immer ausgestellt wie in einer Trophäensammlung eines Königs, oder, sagen wir es klarer, wie in einem Antiquitätenladen ohne Preisschilder. ‚Preislos‘, ist das, was wir implizit lesen. Und ansonsten lesen wir so aussagekräftige Hinweise wie ‚Venus‘, ‚Statue‘ oder ‚Philosophenkopf‘. Wenn wir Glück haben steht noch daneben, ob wir auf Marmor, Bronze oder Ton schauen, nur für den Fall, wir hätten es nicht erraten.

Es wird Zeit, unsere Museen entwickeln sich genauso weiter, wie die Archäologie.

Ändert endlich auch die Museen.

Modernisiert die Museen

Es scheint erstaunlich, dass der Direktion des National Museums von Neapel nie die Lust gekommen ist, in ihrem Museum die Villa der Papyri nachzustellen, das Leben darin und wie man sie wiederentdeckte. Es verblüfft ebenso, dass es dem Management des Nationalmuseums in Athen noch nie leidtat, die erstaunliche und faszinierende Geschichte des Schiffes zu verschweigen, auf dem man den ‚Philosophenkopf‘ fand. Die Geschichte der Wiederentdeckung des Antikythera-Wracks ist der Beginn der modernen Unterwasserarchäologie, die sich in magnetisch blauer Tiefe abspielte und auch eine Geschichte von Abenteuern und Wagnis ist… und die im aseptisch trockenen Museum in Athen vollkommen verborgen bleibt, auch zum Verdammnis der Unterwasserarchäologie, die noch immer ums Überleben kämpft, so als hätte sie keine Erfolge vorzuweisen.

Man ist versucht zu vermuten, dass befürchtet werden könnte, die Kontextualisierung des Fundstückes könnte seinen Verkaufswert drücken… Dabei ist es genaus dieser Ansatz der Überbewertung von Objekten, der Plünderungen ermutigt.

Und noch schlimmer als all das kommt es dann, wenn Königsgräber gefunden werden. Gold. Schätze. Grabbeigaben.

In solchen Fällen scheint es, dass Museumsdirektor oder Direktorin ihre gute Erziehung umgehend vergessen und nur noch Preise im Kopf haben. Selbst gerade erst erstellte, moderne Ausstellungen zeigen dann in der Regel eine Ansammlung von Grabbeigaben. Der oder die Tote fehlt. Gezeigt werden Töpfe, Fibeln, Waffen. Aber der Mensch, den man eigentlich begraben hat, fehlt fast immer in der Geschichte. Und solche ‚Fauxpas‘ passieren sogar dann, wenn die begrabene Person historisch ungemein wichtig war. Nehmen wir als Beispiel die Ausstellung der Grabbeigaben des Königs Midas in Ankara in der Türkei. Man präsentiert dem Besucher eine Ansammlung von Töpfen. Den König hat man in einem Lager irgendwo weitab in einer Schublade verstaut.

Bessere Beispiele gibt es bereits…

Bessere ‚Ausnahmen‘ gibt es. Die Domus-Aurea Besichtigung in Rom ist ein Erlebnis dank der virtual wiedererlebbaren Rekonstruktion dieses Palastes des Nero. Genauso anziehend ist die Einbeziehung von Unterwasseraufnahmen in die Ausstellung der Nemi-Wrackfunde, ebenfalls in Rom. Die Menschen auf dem Schiffswrack kann man im Mary-Rose Museum in Portsmouth bestaunen. Und das Skelett des Hundes von diesem Wrack versammelt mehr Bewunderer vor sich, als die unweit davon ausgestellten Goldmünzen.

Ein exzellentes Beispiel sind auch die archäologischen Stätten von Stonhenge (Grossbritannien) and Alesia (Frankreich) in denen virtuelle Präsentationen und experimentelle Archäologie die historischen Steine beleben.

Es kann hier nur die Hoffnung ausgedrückt werden, dass andere Museen diesen Pionieren folgen und die Geschichte der Menschen ins Museum bringen. Antiquitätenläden und Museen solltnen zwei verschiedene Dinge sein.

Wir alle warten darauf, endlich im Museum und nicht nur Wikipedia zu lesen, wo man die Venus von Milo fand.

U.C. Ringuer

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von Anders Noren.

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