Vergangenheit war gestern, was ist mit der Zukunft?

Viele große Zivilisationen sind zusammengebrochen. Das Reich der Mongolen, das Römische Reich, Inkas, Pharaonen und Sumerer – sie alle haben die Zeiten nicht überdauert. Die Frage drängt sich daher auf – was ist mit uns? Wird auch die westliche Zivilisation zusammenbrechen und der Vergessenheit und den Museen anheimfallen?

In letzter Zeit wurde vermehrt über diese Frage geschrieben. Es gibt Bücherreihen und sogar an manchen Universitäten Zentren zum Studium von Existenz-Risiken. Die Worte ‚alles was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht’, hat jedoch schon Goethe angemerkt. Natürlich werden wir nicht so fortbestehen, wie heute in diesem Moment. Viel wichtiger ist die Frage, wohin gehen wir und was wird aus uns werden?

Hier soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit unsere Einstellung zum Glück unsere Zukunft bestimmen könnte… und Sie werden sehen, dass diese Frage essentiell ist. Menschen richten ihr Streben danach glücklich zu sein. Aber was ist das, ‚Glück‘?

Die Wissenschaftlerin Jane Loevinger hat über viele Jahre die soziale Entwicklung des menschlichen Individuums erforscht und befand, der Mensch bewege sich heute im Lauf seines Alterungsprozesses mehr und mehr vom Ideal des hart arbeitenden, viel leistenden und erfolgsorientierten Menschen weg, hin zum sich selbst verwirklichendem, begierdeloserem und damit ‚glücklicheren‘ Menschen. Schaut man die Studien an, könnte man jedoch meinen, dass, was dort als ‚Weisewerden‘ bezeichnet wird, genauso gut als ‚Resignation‘ bezeichnet werden könnte.

Die ersten großen grundlegenden Arbeiten zu der Frage, was den Menschen glücklich macht, stammt von dem griechischen Philosophen Epikur (342 – 270 v. Chr.). Epikur sagte, um glücklich zu sein, solle der Mensch seine Wünsche limitieren, nicht ständig neuen Begierden nachrennen und stattdessen lieber akzeptieren, was ist. Der Tod käme eines Tages für jeden von uns, und mit ihm ende alles. Man solle sich daher besser darauf konzentrieren, glücklich zu sein. Glück als Sinn des Lebens.

Dazu gehöre laut Epikur auch die Tatsache, zu akzeptieren, dass der Mensch den Göttern egal ist und es keine ewige Seele gibt. Zudem sagte Epikur, dass materielles Besitztum und gesellschaftliche Macht den Menschen nicht glücklich machten. Glück sei nicht ein erreichter gesellschaftlicher Aufstieg, sondern innerer Frieden. Dieser werde erlangt, wenn man Begierden entsage, sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehe und Freundschaften pflege. Frei von Angst und Schmerz.

Diese Ansicht Epikurs teilen heute, wie von Loevinger angedeutet, mehr und mehr Menschen, auch wenn sie sich dessen nicht immer bewusst sind. Vielen reden dabei von Buddhismus, aber wenn man nicht an Nirwana und Seelenwanderung glaubt, dann folgt man Epikur und nicht Buddha. Und gerade dieser Unterschied ist hier wesentlich. Bei Buddha muss man ein gutes, der Gesellschaft verpflichtetes Leben führen, damit die Seele weiterkommt auf dem Weg zum Nirwana. Bei Epikur muss man nichts dergleichen tun. Man lebt, man stirbt und das Nirwana ist erreicht.  

Die Begriffe, die man bezüglich solcher Gedankenansätze hört, sind viele und sie reichen von ‚Individualismus‘ und ‚Konsumorientierung‘ bis zu ‚Selbstverwirklichung‘ und, eben, ‚Resignation‘.

Fakt ist eines: Epikurs Philosophie existiert seit 2.300 Jahren … aber sie hat sich nicht durchgesetzt. Während Plinius ihn noch verehrte, verdammte Cicero ihn, den angeblich selbstsüchtigen Lustmolch, bereits. Dante versetzte ihn in seiner ‚Göttlichen Komödie‘ sogar in die Hölle. Die Epikureer starben aus.

Warum?

Stellen wir uns die Frage anders. Was wäre denn, wenn wir uns alle unserer epikureeischen zufriedenen, alle Unterschiede akzeptierenden und begierdelosen Zukunft hingeben würden? Wenn uns alles akzeptierbar wäre, so wie Epikur es verlangt?

Zuallererst werden für uns Nation, Religion und Ideologie bedeutungslos (und dieser Trend ist in der Tat immer mehr präsent in der westlichen Welt).

  • Wir wären von jetzt ab der Meinung, wir akzeptieren was ist und sind daher alle gleich, also brauchen wir keine Nationen mehr.
  • Gott schert sich nicht um uns, wenn er denn existiert. Also brauchen wir auch keine Religionen mehr.
  • Wir alle haben unterschiedliche Meinungen, aber nur der Rückzug aus dem öffentlichen Leben und aus ideologischen Diskussionen macht laut Epikur glücklich. Also brauchen wir auch keine Ideologien mehr.
  • Wir sollen weniger begehren. Also brauchen wir noch nicht einmal mehr sehr viel zu arbeiten, es reicht, wenn wir die Miete zahlen können.

Das klingt gut?

Epikur stellte einst in Glück auf…. die unseren heutigen erstaunlich ähneln. (c) Nguyen

Für den Einzelnen am Anfang ja. Für die Gesellschaft ist der erreichte Seelenfrieden ihrer Individuen leider auf lange Sicht zerstörend.

Der Mensch hat sich in der Evolution besser durchsetzen können, als jedes andere Tier, weil er fähig war, in größeren Gruppen zusammenzuhalten. Dies war ihm möglich durch verbindende, erfundene Geschichten. Diese kann man Religion, Nation oder Ideologie nennen. Sie alle haben jedoch gemeinsam, dass sie uns in einem gemeinsamen Ziel verbinden. Gibt es dieses nicht mehr, fällt unsere Gesellschaft auseinander. Jeder für sich heißt leider vor allem auch, jeder für sich allein.

Wenn der Mensch der Gesellschaft nicht mehr verpflichtet ist, sondern nur noch sich selbst, was wird dann aus der Gesellschaft? Die Ansätze hierzu lassen sich bereits heute erkennen. Die Demokratie stirbt aus. Nicht nur, weil sich europäische Politiker allseits Mühe geben, jede Opposition als Extremismus darzustellen und die Justiz und die Presse zu unterwandern. Sondern auch, weil keiner mehr mitmacht.

Wir sind beschäftigt mit Glücklichsein (oder Resignation, je nachdem, wie man es bezeichnet) und haben keine Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber. Sagt Epikur.

Dies mag funktionieren, solange wir genug Geld für jeden haben und jeder eine Arbeit, um für sich selbst zu sorgen. Aber hier kommt ein Faktor ins Spiel, den wir noch wenig einschätzen können. Und dieser heißt Automatisierung. Es gibt Experten, so wie Yuval Hariri, die schätzen, dass der größte Teil der menschlichen Arbeitskraft in sehr naher Zukunft durch Automaten ersetzt werden könnte. Selbstfahrende Autos, Dronen als Zulieferer, automatisierte Supermarkt-Kassen. Und so weiter.

Was machen wir mit einer Gesellschaft, die sich selbst verwirklichen will, aber in der die meisten Menschen schon bald keine Arbeit mehr haben werden?

Und hier ist der Blick in die Vergangenheit sehr lehrreich.

Schon das alte Rom hatte das Problem, dass die Stadt von freigelassenen Sklaven aus aller Herren Länder und von armen Bevölkerungsschichten überfüllt war, die niemand ‚brauchte‘. Um trotzdem den sozialen Frieden zu sichern, wurde fast jeder zweite Tag zum Feiertag erklärt und man organisierte Getreideverteilungen und Spiele. Das berühmte ‚Panem und Circensis‘ Juvenals. Der Plebs wählte von da an denjenigen Politiker, der die besten Spiele organisierte.

Ist das unsere Zukunft? Automaten tun unsere Arbeit, während wir uns in unser Schicksal schicken, uns ausruhen und ‚glücklich‘ sind…

Kommt uns diese Zukunft nicht etwas bedrohlich vor?

Nicht nur deswegen, weil es recht zweifelhaft ist, ob uns das wirklich glücklich machen wird, keinen anderen Sinn im Leben zu haben, als kostenloses Essen zu erhalten. Sondern auch deswegen, weil das Römische Reich letztendlich mit einem lauten Krachen zusammengebrochen ist.

Das Geld reichte nicht mehr, der soziale Zusammenhalt zerbrach, jeder konnte Römer werden und jeder profitierte von etwas, was ihm eigentlich egal war, bis alles unterging.

Resignation ist vor allem eine Antwort auf Gesellschaftsstrukturen, die unzufrieden machen und die man nicht ändern kann. Epikurs ‚Glück‘ hieß eigentlich, dass der Einzelne sich aus der Gesellschaft zurückzog, weil es sich nicht lohnte, sich in ihr zu engagieren. So wie heute, wo Demokratie allzu oft heißt, dass man die Wahl zwischen zwei oder drei Politikern hat, von denen man keinen möchte.

Frage daher hier. Was hält unsere Gesellschaft in Zukunft zusammen, wenn es keine verbindende Ideologie oder Religion mehr gibt? Was bindet die globalisierte, überall gleicher werdende Gesellschaft im Kampf ums Überleben? Sicher nicht die Akzeptanz alles dessen was ist und der Rückzug aus dem öffentlichen Leben.

Vielleicht werden wir ‚Selbstverwirklicher‘ daher ganz simpel den Gesetzen der Evolution zum Opfer fallen, so wie die Lehre Epikurs. Stärkere werden kommen, die die Schwächeren ausmerzen, so wie einst im alten Rom…

Und dann haben wir noch nicht einmal über das Problem Klima-Wandel geredet. Rom ging auch deshalb unter, weil es zu Missernten kam…

Dieser Artikel ist nicht negativ. Er ist ein Menetekel. Religionen, Nationen und Ideologien sind nicht nötig, aber etwas, dass unsere Gesellschaft bewegt und zusammenhält schon. Wie etwa Kultur, Moral und Ethik. Und dazu gehört auch die Möglichkeit, eine Gesellschaft ändern zu können. Politische Parteien sollten sich über jede Opposition freuen, statt sie sofort als Anarchisten oder Extremisten zu verdammen. Besser wir werfen die politische Korrektheit über Bord und starten das Nachdenken. Und immer daran denken: das Klima wandelt sich, nicht die Naturgesetze … 

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