Als kaiserlicher Küchenchef hatte man es oft schwer. Man hatte Sonderwünschen nachzukommen, Festessen vorzubereiten und Galadiners zu organisieren. Aber zur Zeit der Kreuzzüge konnte das Los des Koches seiner Majestät noch bitterer sein. Dann kam es vor, er hatte nicht nur die Lammkeule zu braten, sondern auch den Kaiser zu kochen. Wirklich.
Es ist gemeinhin bekannt, dass in vielen Kulturen der Glaube verbreitet war, dass es großer Obacht nach dem Tod eines teuren Verstorben bedurfte, damit ihm nach seinem Dahinscheiden das Paradies oder das Leben im Jenseits wie auch immer geartet gesichert wurde. Schätze wurden aufgehäuft und Mumien angefertigt.
Ein ähnlicher Glaube herrschte auch in Europa im Mittelalter. Es war verbreitete Überzeugung, dass es aller Knochen eines Toten bedurfte, um am Jüngsten Tag aufzuerstehen. Normalerweise kam man diesem Vollständigkeitsbedürfnis nach, indem man den Toten in seiner Gesamtheit begrub. Es kamen jedoch Probleme auf, wenn der Tote weitab der Heimat starb, etwa in Palästina auf einem Kreuzzug, und sein Rücktransport durch die fortschreitende Verwesung des Leichnams unangenehm wurde. Dann griff man zu einer rüden Praxis. Man kochte man den Herrscher – oder die Herrscherin – und trennte säuberlich Knochen von Fleisch.
Dieser Brauch wurde ‚mos teutonicus‘ genannt – also von Lateinisch ‚nach deutscher Sitte‘, auch wenn durchaus auch französische Adelige diese Praxis anwendeten. Eine kurze Beschreibung bietet Boncompagno da Signa im 13. Jahrhundert: „Die Deutschen entnehmen die Eingeweide aus den Leichnamen hochgestellter Männer, wenn diese in fremden Ländern sterben, und lassen das Übrige so lange in Kesseln abkochen, bis alles Fleisch, die Sehnen und die Knorpel von den Knochen getrennt sind. Diese Knochen, gewaschen in wohlriechendem Wein und bestreut mit Spezereien, bringen sie dann anschließend in ihre Heimat fort.“
Ein besonders illustrer Toter, dem dies wiederfuhr, war der berühmte Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Nachdem er während des 3. Kreuzzuges 1190 in Kilikien in einem Fluss ertrunken war, wurde er zerteilt und gekocht. Sein Herz und seine Eingeweide wurden in Tarsos beigesetzt, sein Fleisch in der Peterskirche von Antiochia, und die Knochen wurden von seinem Sohn Friedrich VI. mindestens bis Tyros mitgeführt, wohl um sie in Jerusalem zu bestatten. Wo genau sie dann begraben wurden, ist nicht bekannt. Aber man stelle sich die Szene vor, in der der tote, ertrunkene Kaiser erst zerkleinert und dann in den Kochkessel gehievt wurde, um ihn stundenlang kochen zu können.
Barbarossa selbst scheint damit einverstanden gewesen zu sein. Als Jahre vorher, 1167 nach seiner Eroberung Roms, eine Seuche sein Heer erheblich dezimierte, ließ er seine an der Ruhr verstorbenen ‚Führungskräfte‘ vor der Rückführung nach Hause kochen. Die Historia Welforum Weingartensis nennt unter den Toten die Bischöfe von Köln, Speyer, Regensburg, Prag, Verden und Lüttich, die Fürsten Friedrich IV. von Schwaben, Welf VII., Berengar III. von Sulzbach und Heinrich von Tübingen. Sie fügt hinzu, „bei fast allen diesen wurden die Gebeine, nachdem sie durch Kochen vom Fleisch abgelöst worden waren, in ihre jeweilige Heimat zurückgebracht.“ Das Bild der zehn kochenden Fürsten muss nichts für zarte Gemüter gewesen sein. Immerhin waren sie dann desinfiziert… Man sagt, die Franzosen hätten öfter für die Einbalsamierung ihrer adeligen Toten optierte, aber die ‚germanische Art‘ sei hygienischer gewesen…
Archäologen haben Spuren dieser Praxis nachweisen können. Als Kaiser Lothar III. 1137 bei der Überquerung der Alpen starb, soll sein Körper dem Mos teutonicus unterworfen worden sein. Der Befund einer 1989 veröffentlichten Aminosäurenanalyse seiner Knochen bestätigt dies. Die Knochen des edlen Herrschers wurden etwa sechs Stunden lang gekocht.
Anscheinend gab es auch schon damals Kreise, die den Brauch recht abscheulich fanden. Mit der zuerst am 27. September 1299 und erneut am 18. Februar 1300 veröffentlichten Bulle Detestande feritatis verfügte Papst Bonifatius VIII. ein Verbot, Leichname für Zwecke der Bestattung zu zerteilen oder zu kochen. Das Verfahren blieb in der Folgezeit noch in Gebrauch, aber man begann, nach geeigneten Mitteln zur wenigstens übergangsweisen Konservierung der Leichen zu suchen. Und glücklicherweise hörte man ja dann auch mit den Kreuzzügen auf und der Bedarf der Kaiserkochung legte sich…
Bleibt die Frage, ob Kaiser Barbarossa, der der deutschen Sage nach im Kyffhäuserberg schläft, wenn er denn wieder aufersteht, im Ganzen wiederkommt oder in Form von Skelett und Pökelfleisch.
U.C. Ringuer
Kommentar verfassen