Das Castel del Monte in Apulien im Südosten Italiens ist sicherlich eines der berühmtesten und mysteriösesten Bauwerke der Welt. Die Burg stammt aus der Zeit des Stauferkaisers Friedrich II. und wurde von 1240 bis um 1250 errichtet, aber nie vollendet. Wehranlagen und Innenausbau sind nur marginal vorangeschritten, die Außenmauern faszinieren jedoch noch heute durch ihre mächtige Nüchternheit.
Über die Funktion der Feste ist viel gerätselt worden. Die Deutungen der beabsichtigten Nutzung der Burg reichen von einem Jagdschloss bis hin zu einem Gebäude zur Aufbewahrung der Reichskleinodien, die damals, im Mittelalter, auf der Burg Trifels in Deutschland lagen. Aber warum, so fragt man sich, wurde die eigenartige Form gewählt? Der ungewöhnliche, achteckige Grundriss der Burg beflügelte fantastische und zuweilen auch esoterische Behauptungen.

Theorien wurden daher wie üblich viele publiziert. Eine meint, dass das Achteck ein Zwischensymbol zwischen einem Quadrat (das die Erde darstellt) und einem Kreis (der den Himmel darstellt) sei. Andere schreiben, Friedrich II. könnte entweder vom Felsendom in Jerusalem, den er während des Sechsten Kreuzzugs gesehen hatte, oder von der Pfalzkapelle des Aachener Doms inspiriert worden sein. Am nächsten kommt der Wahrheit aber wohl sicherlich eine Deutung, die in den 1930er bis 1950er Jahren beliebt war und nach der man die Burg als Steinerne Krone Apuliens bezeichnete, als welche Castel del Monte die Macht Friedrichs II. symbolisieren sollte.
In der Tat ist die achteckige Form schlicht und einfach die ‚Kaiserform‘ und imitiert damit auch die – achteckige – Form der Reichskrone, die heute noch in Wien im Museum zu besichtigen ist.
Friedrich II., Enkel des berühmten Barbarossa aus dem Adelsgeschlecht der Staufer, war ab 1198 König von Sizilien, ab 1212 römisch-deutscher König und von 1220 bis zu seinem Tod Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Seine Regierungsjahre waren jedoch geprägt von Streitigkeiten mit dem Papst und dem Ringen um seine Legitimation als Kaiser. Friedrich hatte Sarazenen und Mongolen genauso zu bekämpfen wie die Kommunen Italiens und die verschiedenen hohen Häupter Deutschlands.
Aufgrund seiner Aufgeschlossenheit den muslimischen Gebräuchen der Sarazenen Siziliens gegenüber und seines Widerwillens, sich den Anweisungen des Papstes zu beugen, verteufelte die päpstliche Propaganda Friedrich als Ketzer und Antichrist, und ging hin bis zur Exkommunikation. Bei seinen Anhängern galt Friedrich hingegen als das „Staunen der Welt“ (stupor mundi) und man erwartete nach seinem Tod so inniglich seine Wiederkehr, dass sich mehrfach Hochstapler als Friedrich ausgeben konnten. Es ist in der Tat Friedrich II. den man ursprünglich im Kyffhäuser – der Pfalz der Staufer – wiedererwartete und nicht Barbarossa.
Es ist in diesem Kontext zu verstehen, warum Friedrich die achteckige Form seiner Burg wählte.


Bereits in den germanischen Religionen war die Acht das Symbol der Widerauferstehung. Sie symbolisierte die acht Monate zwischen Verschwinden und Erscheinen der Plejaden und damit Verschwinden und Rückkehr der Göttin Nerthus. Im gesamten germanischen Gebiet wurde zudem bereits in früher Zeit jedes achte Jahr als Schaltjahr eingeführt, um den 13 germanischen Monaten mit ihren 28 Tagen ein Korrektiv beizufügen.
Auch für die Christen war die Zahl acht und der achte Tag verbunden mit dem Gedanken der Auferstehung. Am Samstag, dem siebten Tag, hatte Gott geruht, und am Sonntag, dem achten Tag, war Jesus von den Toten auferstanden. In der christlichen Zahlensymbolik des Mittelalters wurde die Acht damit zur Zahl der Neugeburt, der Taufe und Symbol des Neuen Bundes. Die oktogonale Form altchristlicher Baptisterien nutzt diese Sinngebung des achten Tages. Verbunden ist dieser Gedanke auch damit, dass nach biblischer Überlieferung acht Menschen die Sintflut überlebt haben sollen. In der Achtzahl der Menschen drückte sich der Bund Gottes mit den Menschen (Noachbund) aus, der durch Jesus Tod am Kreuz und seine Wiederauferstehung erneuert wurde.
Für die abendländischen Christen ist die Acht damit Zahl der Taufe, der Verbindung von Himmel und Erde, der Vollendung, des Unendlichen, der Erlösung, des Messias und wurde damit auch logisch gewählt als Kaiserzahl, die sich in der Architektur in der oktogonalen Grundform zahlreicher Kaiserbauten ausdrückte. Aus diesem Grund war auch die Reichskrone nicht rund, sondern achteckig.

Ob Kaiser Friedrich seine Burg der Form der Krone nachempfand, ist nicht sicher – immerhin besaß er mehrere Kronen und verlor auch eine davon bei einer Plünderung seines Feldlagers vor Parma – aber es kann als gesichert angenommen werden, dass er die achteckige Form als Referenz zu seiner Kaiserstellung wählte. Die Staufer taten dies auch andernorts. Man nehme zum Beispiel die Form des Turms der Abtei von Fossanova, die Barbarossa gründete oder eben die bereits erwähnte Pfalzkapelle in Aachen.
Castel del Monte ist achteckig, da es die Burg des Kaiser war. Und Friedrich II. wollte, dass man das sah.
Mehr Geheimnisse zur Geschichte Friedrich II. und der Kaiserkrone in meinem Buch ‚Der Gottesbeweis‘.
U. C. Ringuer
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