In vielen alten Völkern war es üblich, der Erde oder den Göttern Opfer zu bringen. Man weiss heute, dass die alten Germanen insbesondere in Seen, Erdspalten und Mooren Opfer darbrachten. Man hat zerbrochene Waffen gefunden, wertvolle Musikgegenstände und sogar Menschen.
Besonders in Mooren führte das sauerstoffarme Milieu und das Vorhandensein von Gerbsäuren zu einer bemerkenswerten Konservierung von biologischen Materialien. Beim Torfstechen zur Brennstoffgewinnung wurden daher im 19. und 20. Jahrhundert eine Reihe eindrucksvoller Funde gemacht. Sie stammen aus den Mooren Dänemarks, Deutschlands, Irlands und Großbritanniens.
Am bekanntesten sind dabei die extrem gut erhaltenen Moorleichen, deren intakte Haare, Organe und Haut in einigen Fällen den Eindruck erwecken, man könne noch den Gesichtsausdruck des Menschen im Moment seines Todes sehen. Das stark saure Wasser der Moore, die niedrigen Temperaturen und Sauerstoffmangel bewahrte die Haut, auch wenn es sie stark bräunte. Knochen überdauerten in der Regel nicht oder nur in schlechtem Zustand, da sich ihr Kalziumphosphat durch den Säuregehalt des Torfs auflöste. Die Bedingungen in den Mooren ermöglichten jedoch die Erhaltung von Haut, Haaren, Nägeln, Wolle und Leder, da sie das Protein Keratin enthalten.
Aber warum warf man selbst extrem wertvolle Objekte und junge Menschen ins Moor?








Die Forschung erweist sich als schwierig. Viele der Moorleichen wurden zerstört oder gingen verloren. Es sind ungefähr 1.000 solche Funde bekannt. Die exakten Zahlen sind jedoch strittig. Beispiele sind die Haraldskær-Frau und der Tollund-Mann in Dänemark, oder die Lindow-Mumie, die in England gefunden wurde. Die älteste bekannte Moorleiche ist das Skelett des Koelbjerg-Mannes aus Dänemark, das auf 8000 v. Chr. d.h. die Mittelsteinzeit datiert wurde.

Die Moorleichen weisen in der Regel eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf, wie z. B. Spuren eines gewaltsamen Todes oder das Fehlen von Kleidung. Dies veranlasste Archäologen zu der Annahme, dass die Menschen im Rahmen eines Menschenopfers getötet und in den Mooren deponiert oder aber als Verbrecher hingerichtet wurden.
Andere Theorien vermuten, dass die Moorbewohner als sozial Ausgestoßene oder Hexen, oder aber zur Büße für gebrochene Vertragsvereinbarungen getötet wurden.
Schon Tacitus berichtet von der jährlichen Tötung von Sklaven als Opfer für die Göttin Nerthus in Seen. Die Analyse des Mageninhalts einiger Mumien unterstützt dies, da sie einen Hinweis auf einen Tod im Spätwinter geben.

Tacitus schreibt zudem in seiner Germania, dass „Feiglinge, Kriegsscheue und körperlich Geschändete“ im Schlamm und Sumpf versenkt wurden.
Einige der Toten könnten auch einfach im Moor bestattet worden sein oder schlicht Menschen sein, die sich im Moor verirrt hatten.

Irlands Königsopfer
Faszinierend sind jedoch zwei Moorleichenfunde, die 2003 in Irland gemacht wurden. Sie bezeugen ein schreckliches Ende für diejenigen, die dort ins Moor versenkt wurden. Und sie deuten vielleicht auf einen anderen Grund für die Versenkung der Toten im Moor hin.
Die Leichen des Old Croghan Mannes und des Clonycavan Mannes sind die zweier junger Männer, die keine Anzeichen schwerer körperlicher Arbeit zeigen und zum Zeitpunkt ihres Todes gesund waren. Radiokarbondatierungen ergaben, dass der Clonycavan Mann zwischen 392 und 201 v. Chr. und der Old Croghan Man zwischen 362 und 175 v. Chr. lebten, also auf dem Höhepunkt der keltischen Eisenzeit.
Die Analyse ihrer Haare und Nägel bewies, dass sie regelmäßig Fleisch aßen. Um den Oberarm trug der Old Croghan Mann eine geflochtene Lederarmbinde und ein Bronzeamulett mit dekorativen Beschlägen aus einer Kupferlegierung. Ansonsten war er nackt (soweit man das von einem Torso sagen kann).
Das Haar des anderen jungen Mannes, des Clonycavan-Mannes, war auf ungewöhnliche Weise über den Kopf gedreht und mit einem Gel aus Pflanzenöl und Kiefernharz fixiert worden. Diese Zutaten wurden aus Frankreich oder Südwestspanien importiert, was darauf hindeutet, dass auch der Clonycavan Mann aus einer reichen Familie stammte und er Zugang zu Gütern vom Kontinent hatte.
Beide Leichen zeigen schreckliche Folterwunden. Und beide wurden nahe traditionellen irischen Krönungsorten getötet.

Beim sogenannten Old Croghan Mann, der nur als Oberkörper ohne Kopf und Unterkörper erhalten ist, fand sich eine Abwehrwunde am linken Oberarm, da er sich möglicherweise hatte schützen wollen. Er war mit durch Löcher in den Oberarmen geführten Haselzweigen gefesselt worden, in die Brust gestochen, in den Nacken geschlagen, enthauptet und in zwei Hälften geschnitten. Auffallend war, dass er für seine Zeit außergewöhnlich groß gewesen war, fast 1,80 m.
Dem Mann aus Clonycavan hatte man seinerseits den Schädel zertrümmert und ihn regelrecht ausgeweidet.
Sowohl dem Mann aus Clonycavan als auch dem aus Old Croghan waren zudem die Brustwarzen abgeschnitten worden.
Handelte es sich um Opfer unglücklicher Thronanwärter oder Rivalen? Oder um gescheiterte Könige?
“Das Saugen an den Brustwarzen eines Königs war im alten Irland eine Geste der Unterwerfung”, erklärt Eamonn Kelly vom National Museum Irelands. “Sie abzuschneiden hätte den jeweiligen Menschen unfähig gemacht, das Königtum auszuüben.”
Auch der heilige Patrick erwähnt in seiner Confessio, dass ihm auf seiner Flucht aus Irland von einigen Seeleuten die Überfahrt auf einem Schiff angeboten wurde, obwohl er sich weigerte, an ihren Brustwarzen zu saugen. Interessanterweise hält Patrick dies für einen barbarischen Brauch, den er “aus Furcht vor Gott” ablehnt.
Kelly vermutet: “Die Körper dienten als Opfergaben für die Göttin der Erde, mit der der König bei seiner Amtseinführung symbolisch vermählt wurde.“
Vielleicht wurde jedoch auch nur ein Widersacher aus dem Weg geräumt und ein Exempel statuiert.
Im Moor fand man auch weitere Objekte, die man während oder nach einer Königskrönung geopfert haben könnte. Waffen, Kleidung und Pferdegeschirr. Viele von ihnen sind von großem Wert, wie etwa die Luren (Musikinstrumente) oder Gegenstände wie der Kessel von Gundestrup.
Sie auch „Rufe im Sumpf.“

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